Skip to Content
Menü

Geschäftsreisebüros versuchen den Neustart mit frischen Ideen

Den Business-Travel-Reisebüros stehen spannende Zeiten bevor. Selbst wenn sich „nach Corona“ die Geschäftsreisetätigkeit wieder beleben wird: Das Niveau „vor Corona“ wird so schnell nicht wieder erreicht werden.

Dazu kommen neue kommerzielle Herausforderungen: Kann das heutige System der transaktionsbasierenden Gebühren so verändert werden, dass Reisebüros auch eine Basisentlohnung für die Bereitstellung ihrer Leistung erhalten? Und schließlich die Kernfrage: Welche Leistungen sollen Business Travel Reisebüro überhaupt erbringen?

„Eine Lösung für alle und alles gibt es nicht mehr,“ sagt Ute Dallmeier, Geschäftsführerin des FIRST Reisebüros Mönchengladbach mit rund 30 Millionen Euro Umsatz. Sie gehört zu der kleinen Gruppe von Travel Managern im deutschsprachigen Markt, die vorbehaltlos und radikal über die Zukunft des Business Travel nachdenken. „Nach Corona wird die Business Travel Landschaft anders aussehen – sowohl was die kommerziellen Modelle angeht als auch in Bezug auf die Leistungen“, ist sie überzeugt.

Tarifmodelle der Mobilfunker als Inspiration

Diese Botschaft ist auch in Österreich angekommen. Peter Tolinger, Geschäftsführer des österreichischen Marktführers Verkehrsbüro Business Travel GmbH, entwickelt neue Lösungen, mit denen die personelle und technische Infrastruktur der Travel Management Companies (TMC) abgedeckt werden soll.

So viel steht fest: Unternehmen werden die Qual der Wahl haben, denn hinter jedem Gebührenmodell steht ein anderes Leistungspaket. Die TMC-Manager orientieren sich bei ihren Überlegungen an den Tarifmodellen der Mobilfunker. Zwei Grundmodelle stehen zur Diskussion:

  • Pauschalvertrag pro Reisenden oder Unternehmen - auch „Subscription Model“ genannt. Innerhalb eines vereinbarten Volumens werden Standardbuchungen und Umbuchungen ohne Zusatzkosten vorgenommen. Sonderleistungen wie etwa Refunds werden extra berechnet.
  • Network Access Fee pro Reisenden - genauer gesagt: pro Managed Profile, um den Basis-Service einer Travel Management Company nutzen zu können. Jede Transaktion wird gesondert berechnet.

Mitgliedsbeitrag, um Leistungen abzurufen

Peter Tolinger ist ein klarer Verfechter der Network Access Fee. „Das ist wie ein Mitgliedsbeitrag, der dazu berechtigt, Leistungen abzurufen – und zwar rund um die Uhr.“ Für die Bereitstellung dieser Ressourcen peilt er einen Betrag von weniger als 5 Euro pro Reisenden und Monat an, der einmal jährlich im Voraus verrechnet wird.

Die Network Access Fee ist aber kein Selbstläufer in der Branche: Während BTU ebenfalls zur Network Access Fee tendiert, wird Columbus Business Travel/FCM bei der transaktionsbezogenen Gebühr bleiben. Geschäftsführer Robert Rieb: „Ohne Leistung kein Honoraranspruch. Die Einführung einer Basis-Fee ist zum derzeitigen Zeitpunkt mehr als ungünstig.“

Besondere Anreize für neue und alte Kunden

Besondere Anreize für Neukunden, bzw. Prämien für Bestandskunden sind auch in diesem Modell denkbar. Noch komplexer wird es, wenn unterschiedliche Buchungskanäle unterschiedlich bepreist werden.

Unternehmen, die selbst über eine Online Booking Engine (OBE) buchen, erwarten für ergänzende Reisebüro-Leistungen geringere Gebühren. Ähnliches gilt für die auf Messenger-Technologie basierenden Tools wie etwa Voya und Comtravo, die gerne von kleinen und mittelgroßen Unternehmen eingesetzt werden.

Neue Königsdisziplin heißt „Prozessberatung“

Damit die Unternehmenskunden nicht nur nach dem Preis entscheiden, versuchen die Travel Management Companies, sich über Beratungsleistungen zu differenzieren. Die neue Königsdisziplin heißt „Prozessberatung“. Auf diesem Weg ist Ute Dallmeier mit ihrem Reisebüro Mönchengladbach bereits ein Stück vorangegangen.

Sie berät beispielsweise Kunden, wann ein digitales Meeting sinnvoll und wann ein reales Meeting angemessen ist. Die Besonderheit: Das Reisebüro ist eine Kooperation mit einem Spezialisten für Videokonferenzen eingegangen. Das Unternehmen Zgoll bereitet in Zusammenarbeit mit dem Technologie-Provider CISCO virtuelle Meetings professionell vor. Ute Dallmeier: „Und das ist keine triviale Angelegenheit.“

Auch für Workshops, mit denen die unterschiedlichen Erwartungen an das Travel Management herausgearbeitet werden sollen, setzt sie externe Berater ein. „Wir stoßen in diesem Bereich an Grenzen. Unsere Mitarbeiter sind nicht dazu ausgebildet, Powerpoint-Charts zu erstellen und Meetings zu moderieren.“ Aber Beratungsleistungen dieser Art stärken die Kundenbindung, auch wenn der finanzielle Ertrag eher bescheiden ist.

Konfliktfeld mit der Strategie der Airlines

Ein weiteres Konfliktfeld tut sich mit der Strategie von Airlines auf, besonders günstige Tarife oder besondere Serviceleistungen nicht mehr über die Global Distributions Systeme (GDS), sondern über direkte Anbindungen an die Airline-Systeme anzubieten. Das Full-Content-Versprechen der GDS und der Reisebüros gegenüber den Kunden wird damit ausgehebelt.

Die TMCs und ihre Technologie-Partner haben inzwischen Lösungen entwickelt, mit denen die Reisebüros und ihre Kunden wieder auf diese speziellen Tarife zugreifen können. Diese neuen Lösungen haben aber ihren Preis.

Der Wiener Geschäftsreisespezialist Business Travel Unlimited (BTU) kooperiert mit Travelfusion und beziffert die zusätzlichen Kosten pro Buchung auf 7,50 Euro bis 9,90 Euro, verspricht aber: „Die Buchung über Travelfusion gewährleistet den Zugang zu günstigeren Tarifen und kompensiert den Zuschlag bei weitem.“

Wie fängt man das „Maverick Buying“ wieder ein?

Was den Unternehmen und ihren Dienstleistern derzeit besonders zu schaffen macht, ist das „Maverick Buying“. Damit ist das „wilde Buchen“ von Reisenden über unkontrollierte Buchungskanäle gemeint. Peter Tolinger: „Diese Welle ist in der Krise sehr stark angewachsen und gerade unter kleinen Unternehmen weit verbreitet“.

Die Unternehmen müssten jetzt viel Energie aufwenden, um diesen Trend wieder einzufangen, denn die Duty-of-Care-Pflichten des Unternehmens werden dadurch unterlaufen.

Schrumpfen, aber nichts ändern, ist keine Lösung

Bei allen diesen strukturellen Änderungen stellt sich die Frage: Welche Mitarbeiter werden künftig im Business Travel gebraucht? „Schrumpfen, aber sonst nichts ändern, ist keine Lösung,“ stellt Peter Tolinger fest. Die künftigen Teams werden jedenfalls vielfältiger werden.

Neben den klassischen Tarif- und Ticketexperten werden Mitarbeiter benötigt, die im Dialog mit den Kunden unter den vielen IT-Lösungen die passenden herausfiltern, im Monitoring und Controlling neue Aufgaben übernehmen und im Zusammenspiel mit externen Beratern das spezielle Know-how einbringen. Spannende Zeiten stehen der Branche bevor – auch nach der Krise. (Wilfried Kropp)

Dieser Artikel stammt aus der jüngsten Ausgabe des tma, die soeben erschienen ist. Sie steht hier kostenlos als PDF-Dokument zum Download bereit.





Weitere Artikel zu diesem Thema

Nur ein Prozent der Geschäftsreisenden nutzt virtuelle Kredikarten
business-travel


Geschäftsreisende verspüren weniger Stress als vor der Pandemie
business-travel


Reisen trotz Corona: Firmen verbessern das Risikomanagement
business-travel